Medienkunst unplugged

artline Kunstportal

2007

 

Das Medienkunstfestival der HfG Karlsruhe "1234567" überwindet Grenzen


Einen Riegel wollten die fünf studentischen Kuratorinnen und Kuratoren Elena Bozhikova, Patrice Feifarek, Mascha Pöhls sowie Adam Rafinski und Felix Vogel vorschieben. Denn all zu oft dient der Lichthof der HfG allenfalls als Passage zwischen ZKM und Museum für Neue Kunst. Eine Zwischenposition, die als problematisch empfunden wird, generiert das ZKM, das in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen feiert, Aufmerksamkeit, verschluckt sie aber im nächsten Atemzug. Wer derzeit den Bereich der HfG betritt, wird von einer schwarzen Ausstellungsarchitektur aufgehalten. Es ist kein White Cube, der für das siebentägige Medienkunstfestival „1234567“ der HfG geschaffen wurde, die Arbeiten der Studierenden brauchen Dunkelheit. Soviel Nähe zum ZKM muss dann doch wieder sein.

Wer sich jedoch einen Überblick über die gut 20 Arbeiten verschafft hat, welche die fünf Studierenden des Bereichs Kunstwissenschaft aus 40 Eingaben ausgewählt haben, ist zuerst überrascht. Denn ausgewiesene Werke der Medienkunst finden sich nicht unbedingt viele, manche der Installationen oder Fotografien könnte man auch bei einem Rundgang bei den Kollegen der Akademie der Bildenden Künste entdecken. Und Kira Kaunerts „Kabelobjekt“ kommt in der von Mischa Kuball initiierten Ausstellung sogar ohne Strom aus. Was jedoch auch auffällt, sind Arbeiten, die über ihr eigenes Medium reflektieren und Grenzen zwischen den Gattungen aufheben. Die Verbindung von Medienkunst, Kunstwissenschaft, Szenografie, Produkt- und Kommunikationsdesign scheint ein diskursives Klima zu fördern, das den Bildbegriff und ähnliche Festschreibungen kritisch und kreativ befragt.


Letzte Bilder
Eine der stärksten Arbeiten wirkt auf den ersten Blick völlig unspektakulär. Schlicht „Seestück“ in Anlehnung an das Genre der Malerei hat Oliver Herrmann sein Video genannt. Man sieht auf eine See mit leichtem Wellengang, die von einer Horizontlinie begrenzt wird. Doch der erwartete Himmel wird bei genauerem Hinsehen ebenfalls als Meer kenntlich, von anderer Farbigkeit und Bewegtheit. Die beruhigende Gewissheit, dass dieses Wasser schon irgendwo enden wird, fehlt hier. Die Linie teilt die Bildfläche in zwei Hälften und doch kommen sie nicht zur Deckung. Ein Entrinnen vor dem unendlichen Nass gibt es nicht und irgendwie ist alles öd und leer wie vor dem Tag, als das Wasser vom Land geschieden wurde.


Johannes Kerstings Fotoserie erschließt sich ebenfalls nicht sogleich. Scheint es doch unklar, ob die unspektakulären Ansichten von Schatten an Wänden und Bäumen Fotos sind oder doch Malerei, so künstlich ist die Farbgebung. Paradoxerweise ist es der Verzicht auf jegliche Beleuchtung, der diese Annäherung der Fotografie an die Malerei bewirkt. Um Übergänge geht es auch Kevin Matweew in seinem Video. Für einen Moment scheinen die grobkörnigen Gesichter des Schwarzweißfilms wie zu einem Foto fest gefroren. Dann lösen sich die Züge aus der Erstarrung und die Porträtierten unterhalten sich weiter, lachen und reden. Die lebendige Gestik, die für einen Augenblick von ihnen gewichen war, kehrt zurück. Das Foto, so scheint Matweew sagen zu wollen, ist nur eine Konstruktion. Aber ist nicht auch das bewegte Bild die Suggestion von Authentizität?

Letzte Bilder zeigt Matthias Fritsch in seiner Videoinstallation „Tote“. Auf einem Moskauer Friedhof hat Fritsch die Fotos von Verstorbenen auf Grabsteinen aufgenommen. In seinem einstündigen Loop wandern diejenigen, die einst gelebt haben, noch einmal an unserem Auge vorbei: eine Frau mit modischer Frisur, eine alte Bäuerin mit schmalen Lippen, eingefallenen Zügen und streng nach hintern gekämmten Haar, ein altes Ehepaar. Dann zoomt die Kamera die kleinen Medaillons heran, jedoch wird das Bild nicht schärfer, da dessen Auflösung zu gering ist. Der Tod hat die Verstorbenen schon längst unserem Zugriff entzogen. Verspielter und leichter gibt sich die Gemeinschaftsarbeit von Eva Hartmann und Tobias Wotton „Schneewalzer“, die in diesem Jahr entstanden ist. Die beiden Studierenden haben sich gegenseitig beim Snowboarden aufgenommen und der Film wird auf jeweils eine Seite der Projektionsfläche geworfen, so dass sich die Bilder überlappen und zu den Tönen des „Schneewalzers“ tatsächlich zu tanzen beginnen.

Ausdrückliche Ausflüge in künstliche Welten sind in der Ausstellung „1234567“ jedoch auch zu finden. Daniel Fabry 3D Animationsfilm „Kugelmenschen, Menschen, Halbmenschen/Autosexuell“ etwa lehnt sich an Platons Vorstellung der zweigeteilten Menschen an und reproduziert gleichzeitig Ikonen der Kunstgeschichte wie Caspar David Friedrichs „Der Mönch am Meer“. Nikolin Bujari zeigt jedoch, dass die Realität um einiges skurriler ist als jede Fiktion. Für „Bus Stop“ hat er in seiner albanischen Heimat 2006 den nicht vorhandenen Fahrplan einer Buslinie empirisch konstruiert und aus den Daten ein Liniensystem samt Tabelle ermittelt. Wirklichkeitsentwürfe, die sich nicht immer mit den Tatsachen decken müssen. Dass es an diesem Punkt interessant wird, löst die sehenswerte Ausstellung der Studierenden ein.

 

Annette Hoffman