Jurypreis 2016

Themenausstellung "blublöblau"
Kultur am Kelterberg, Stuttgart
31.1. bis 28.2.2016

 

Die Jury war sich einig, nicht in jedem Fall, aber im vorliegenden schon.
Oliver Herrmann hat unserer Meinung nach mit dem 3,51 minütigen Video „El Mirador“ den besten Beitrag zur Ausstellung eingereicht. Das geforderte „Blau“ taucht im Video sowohl als Farbe – in der Kleidung der drei Protagonisten und des Fernrohrs – als auch als Sehnsuchts-Stimmung auf.
Die Handlung ist spektakulär unspektakulär: Vater, Mutter, Kind besteigen eine graue Aussichtsplattform, schauen kurz in die Ferne und steigen die Stufen wieder herab. Die von der Plattform aus sichtbare Umgebung sehen wir nicht. Unsere Seh-Sucht wird nicht befriedigt.
Aber möglicherweise haben wir trotzdem Bilder im Kopf. Vielleicht sogar blaue.
Meine Jury-Kollegen (Annette Janle, Andreas Pinczewski) haben beide interessanterweise das Meer hinter bzw. unter dem Bildausschnitt vermutet – und so eine weitere „Blau"-Facette addiert. Ich selbst bin da skeptisch. Vor allem jetzt, da mir Wikipedia verrät: „El Mirador ist die größte Maya-Metropole aus der Präklassik. Die Ruinen liegen in El Petén, dem nördlichsten Departamento Guatemalas.“ Die Google-Bildersuche im Internet spuckt keinen Meeres-Strand aus, sondern Ansichten einer riesigen auf einer 3-Stufen-Pyramide gebauten Tempellandschaft. Ist die Plattform also dort? Oder hat der Künstler den Titel gewählt, weil die zu sehende Aussichtsplattform die Form einer oben abgeflachten Pyramide aufweist?
Sie können ihn ja fragen…
Wer genauer hinsieht, erkennt auf den Stufen zur Plattform die Wörter „Revuelta Violenta“ und „Muerte A Los Culpaples“, die mit der Idylle eines vermeintlich hinter dem Fernrohr liegenden Urlaubsparadieses nicht viel gemein haben. Sind wir also zu „blauäugig“, wenn wir hier eine entspannte Urlaubs-Szene vermuten?
Übrigens: Auf der Homepage des Künstlers (www.oherrmann.de) können Sie das Sieger-Video so oft anschauen wie Sie wollen. Ich habe das gestern ein paar Mal gemacht. Und finde das Video immer noch gut.

 

Marko Schacher, 2016