Die fünfte Hand

2008

 

Die Videoprojektion ist in drei Bereiche geteilt, der gesamte Hintergrund ist schwarz. Im Mittelteil sind zwei gefaltete Hände zu sehen, links und rechts je eine offene linke Hand; insgesamt also vier Hände, die fünfte wird zunächst nur vom Titel der Arbeit: »Die fünfte Hand« versprochen. Die Hände schweben, ohne an einen Körper gebunden zu sein, auf der schwarzen Projektionsfläche und beschreiben schwache, sich wiederholende Bewegungen.

Auf die fünfte Hand wartet man nicht vergebens: In unregelmäßigen Abständen taucht sie aus dem schwarzen Hintergrund auf und verschwindet wieder. Ihre Bewegung über der Hand im rechten Bereich ist zwar unklar, gibt sich aber als Geste zu erkennen. Allerdings fehlt dieser Geste der Kontext, in dem sie etwas bedeuten könnte, sie hat keine Referenz, auf die sie sich beziehen oder von der sie motiviert sein könnte. Wieso ist sie dann überhaupt noch Geste und nicht bloß Bewegung? Was unterscheidet sie von dieser? Als Geste suggeriert sie zumindest, Teil oder Begleiter eine kommunikativen Situation zu sein. Vielleicht könnte man sie eine mitteilende Bewegung nennen. Sie ist also weder Botschaft noch Zeichen, und dennoch transportiert sie etwas. Sie bezeichnet nichts direkt, und dennoch ist sie motiviert oder bezogen. Nun ist hier aber die Geste aus ihrem kommunikativen Zusammenhang gelöst und erscheint stattdessen auf der Fläche der Videoarbeit. Flach ist diese nicht nur im räumlichen Sinn sondern auch aufgrund ihrer Zeichen: Zwar handelt es sich um ein Triptychon – die drei Teile stehen aber in keiner inhaltlichen Beziehung zueinander, weil sie schon in ihrer Einzelbedeutung erschöpft sind. Zwar lassen sich die gefalteten Hände als betende lesen – die religiöse Referenz bezieht sich jedoch auf nichts außer möglicherweise der bloßen Form des Triptychons. Zwar stehen Hände für nonverbalen menschlichen Ausdruck – ihre Isolation vom Körper sowie ihre sich wiederholenden, zitternden Bewegungen entleeren sie aber, wenn auch nicht völlig, zum Objekt. Zwar baut der Titel eine Spannung auf, indem er »Die fünfte Hand« ankündigt – die Auflösung der Spannung geschieht jedoch ohne Erfüllung. Und genau das ist das eigentliche Ereignis der Videoarbeit: Die fünfte Hand taucht ohne Anlass aus der leeren Fläche auf und gibt sich, obwohl von Körper und Kontext abgesondert, als Geste zu erkennen. So isoliert erscheint sie aber leer, flach, seltsam deplatziert, unpassend und humorvoll. Denn der Kontext, in dem sie motiviert sein könnte, fehlt und derjenige, in dem sie auftaucht, motiviert sie nicht. Sie zeigt sich knapp und überbordend in einer Situation, die es nicht gibt. Dieses Missverhältnis schließt sich endlich doppelt zum Kreis: In der Wiederholung der leeren Erfüllung, denn die Arbeit läuft als Loop. Und im Gestischen selbst, das ja trotz der Isolation etwas transportiert; man könnte etwa an eine vergebene Chance denken. Weil sich diese Geste aber nur auf die Nicht-Situation der Videoprojektion beziehen kann, in der sie erscheint, drückt die fünfte Hand einzig sich selbst aus, jedesmal aufs Neue als verpasste Möglichkeit des eigenen Versprechens.

 

Hannes Herold