Ausstellung: Simulationen

Kunstraum: Morgenstraße
2010

 

Dirk Haupt
Oliver Herrmann
15. Januar 2010 – 7. Februar 2010

 

Im Zeitalter der digitalen Produzierbarkeit des Tafelbildes ist die Versuchung groß, sich durch einen Atavismus oder wilden Gestus abzugrenzen, Malerfürst oder Outsider Artist zu werden und in dieser ironischen Appropriation der Hierarchien von High und Low Art dennoch vor allem markttauglich zu bleiben.
Dirk Haupt und Oliver Herrmann gehen einen anderen Weg. Ihre Arbeiten müssen nicht darauf vertrauen, lärmend den Tod oder die Wiedergeburt des Tafelbildes anzukündigen: Sie setzen vielmehr eine Tradition der Kontemplation über Bilder und deren Produktion fort, die – soll sie ernsthaft geführt werden – zwar immer im Bezug zu den vorangegangenen Versuchen steht, sich jedoch der Mittel bedient, die die Gegenwart bietet.
Haupts Arbeiten sind malerisch in ihren Motiven und ihrer jeweiligen Umsetzung – es sind Gemälde im klassischen Sinn, auch wenn sie dem Betrachter, wie im Kunstraum: Morgenstraße als Wandarbeit begegnen.
In den Entstehungsprozess eingewoben ist aber ein weiterer Prozess, der an die Erschaffung von Wirklichkeiten in der Simulation anschließt, wie wir sie aus der Wissenschaft oder den Spezialeffekten von Hollywood-Blockbustern kennen: technische Bildproduktionen, die auf den ersten Blick kaum künstlerisch erscheinen, aber auf den zweiten Blick einerseits von der Wahrheit des Forschenden und andererseits von der Überwältigung im Spektakel sprechen.
Im gleichen Sinne, in dem Haupt das künstlerische Bild der Natur reformuliert, nimmt auch Herrmann Genre- und Gattungsbegriffe der Malerei auf und gibt sie für die Gegenwart frei. Wenn wir in seinen Installationen und Videoarbeiten Motive und Darstellungsformen aus der klassischen Tradition wiedererkennen, sind diese allerdings nicht nur zeitgemäße Re-Produktionen; sie provozieren auch Fragen, die aus dem Jetzt rückwirkend die Kunst betreffen: Was bedeutet es für das gemalte Tafelbild, dass es sich „noch nicht“ bewegen konnte?
Den Betrachter konfrontieren die gezeigten Arbeiten mit seinen eigenen Strategien im Umgang mit Kunst. Durch die behutsame Annäherung, die auf die Lesefähigkeit des Betrachters vertraut, erahnt dieser den Dialog, den ihm die Bilder anbieten, allerdings eher, als dass er ihn begreift – aber er kommt nicht umhin, auch die eigene (künstlerische) Umwelt anders zu betrachten.

 

Martin Heus