Das Verführerische der Simulation

Badische Neueste Nachrichten
19.01.2010

 

Werke von Dirk Haupt und Oliver Herrmann im Kunstraum Morgenstraße

 

Glühbirnen sind, seit sie in ihrer gewohnten Machart vom Markt verschwinden sollen, gewissermaßen ein brennendes Thema. Alexander Kluge, der Filmemacher, fragte denn auch vor einiger Zeit Peter Weibel in einem Interview, wie sein Verhältnis zu den elektrischen Lichtapendern sei? Und Weibel. der Künstler und Theoretiker. berichtete, dass in seiner Wohnung immer ein kleines Nachtlicht eingeschaltet sei, weil er sich sonst von der Welt. vom Leben abgeschnitten fühle. Bezieht man das kleine Bekenntnis auf die jüngste Ausstellung im Karlsruher Kunstraum Morgenstraße. so kann man sagen: Dort wird der Anschluss an das Second Life hergestellt. Oder zumindest an ein virtuelles, sekundäres Leben. Denn in dem ehemaligen Eckladen hängt eine Glühbirne besonderer Art von der Decke. Lebte der alte Surealist René Magritte noch, müsste er ausrufen: ,.Ceci n'est pas une ampoule‘

 

Oliver Herrmann, der zusammen mit Dirk Haupt einige Arbeiten in dem Ausstellungsraum präsentiert, hat die eigentümliche Licht-installation eingerichtet. Und er hat ihr einen Titel gegeben, der auf Magritte verweist. Als der Belgier 1929 seine berühmte Pfeife malte und in sein Bild den Satz platzierte ..Ceci n‘est pas une pipe“ (Das hier ist keine Pfeife). da nannte er sein Werk ..La trahision des images – Der Verrat der Bilder". Und ,,Verrat“ nennt nun auch Herrmann seine Arbeit. Immerhin benutzt er ja keine Glühbirne. sondern eine Kombination aus zwei Flachbildschirmen. die mit dem Rücken aneinander montiert sind und eben je eine Birne mit brennendem Glühfaden zeigen.

 

Gleichwohl ist die Installation des jungen Künstlers. der an der Karlsruher Hochschule für Gestaltung (HfG) studiert hat, keine digitalisierte Reprise eines Stücks moderner Kunstgeschichte. Zwischen Herrmanns Birne und Magrittes Pfeife besteht nämlich ein eklatanter Unterschied: Die Pfeife ist tatsächlich nur Bild, während die digitalisierten Bilder einer Glühbirne eine durchaus reale Lichtquelle abgeben. Sie beleuchtet nicht zuletzt eine Zeile. die ebenfalls zu Herrmanns ,,Verrat“ gehört: Lorem ipsum dolor sit amet. Klingt nach Latein. ist aber Unsinn: Grafiker verwenden diese Ansammlung von Vokabeln als Blindtext, den sie bei der Planung eines Buches immer dann einsetzen, wenn der zum Abdruck bestimmte Text noch nicht vorliegt.

 

Auch hier also wird das Motto bekräftigt. das Haupt und Herrmann ihrer Schau im Kunstraum vorangestellt haben: Simulation. Haupt, von Hause aus Maler und Mathematiker. verleiht diesem Begriff analytische Anschaulichkeit. indem er über eine Raumecke hinweg so etwas wie ein Feld hoch wachsender grüner Gräser gemalt hat, gleichzeitig aber anhand von Zeichnungen demonstriert, dass jeder HaIm. jedes vermeintliche Wiegen im Wind nur das Ergebnis ein es exakten Konstruktionsprozesses ist. Beide - Haupt und Herrmann - zeigen das Verführerische der Simulation. das darin liegt, dass sie immer einen habhaften Bezug zur Realität hat (auch ,,Lorem ipsum...‘ ist nicht einfach frei erfunden, sondern von einem Cicero-Zitat abgeleitet). Weshalb die Simulation für manche bereits die Wirklichkeit ersetzt. Ist das vielleicht der eigentliche Verrat.

 

Michael Hübl